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Smarter IT-Einkauf in der Energiebranche. Wie Sie Compliance, Wirtschaftlichkeit und Agilität erfolgreich vereinen

In der Energiebranche ist der IT-Einkauf mehr als eine Frage von Kosten und Tools – er ist ein strategischer Balanceakt zwischen regulatorischen Vorgaben, betriebswirtschaftlichen Anforderungen und wachsender Agilität. Gerade in kommunalen Versorgern, Stadtwerken und Netzbetreibern in der DACH-Region stehen IT-Leiter und Beschaffungsverantwortliche vor der Herausforderung, rechtskonform und zugleich zukunftsfähig einzukaufen. Dieser Beitrag zeigt, wie das gelingen kann – mit Best Practices, Technologieeinsatz und organisatorischem Feinschliff.

Veröffentlicht am 16. Juni 2025

Rahmen­bedingungen: Vergaberecht, IT-SiG & Co.

Energieversorger sind meist öffentliche oder Sektorenauftraggeber und damit voll im Vergaberecht verankert. Ausschreibungen ab einem Schwellenwert von ca. 430.000 € müssen EU-weit erfolgen – vollständig elektronisch, revisionssicher und transparent. Hinzu kommen Vorgaben aus dem IT-Sicherheitsgesetz 2.0 (IT-SiG), Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), EnWG, Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und branchenspezifische Sicherheitsstandards (z. B. ISO/IEC 27001).

Konsequenz für den Einkauf:
Nur zertifizierte, vertrauenswürdige Anbieter kommen infrage. Compliance ist Pflicht, aber auch Chance – für mehr Standardisierung und Risikominimierung.

Best Practices aus der Branche

EWN-Gruppe: E-Vergabe als Effizienz-Booster
Drei Unternehmen harmonisierten ihren Einkaufsprozess mit einem einheitlichen E-Vergabe-Tool. Ergebnis: 66 % weniger Formulare, 30 % weniger Rollen, höhere Rechtssicherheit.

Thüga-Netzwerk: Einkauf im Verbund
Über 100 Versorger profitieren von gemeinsamen Rahmenverträgen und standardisierten Ausschreibungen – mit Einsparungen von über 250 Mio. €.

Siemens Energy: KI für Lieferantensuche
Mit Scoutbee analysierte Siemens Energy den globalen Markt für Wasserstoff-Zulieferer per KI. Der Einsatz führte zu besserer Marktübersicht und schnelleren Entscheidungen.

enviaM: Elektronische Marktplätze für Stadtwerke
Ein webbasiertes E-Procurement-Portal ermöglicht schlanken, rechtssicheren Einkauf – insbesondere für kleinere Unternehmen.

Praxisbewährte Ansätze für smarten IT-Einkauf

Angesichts der Hürden durch Vergaberecht & Co. brauchen Energieunternehmen durchdachte Strategien, um ihren IT-Einkauf effektiv zu gestalten. Folgende Ansätze haben sich in der Praxis bewährt:

Zentrale Beschaffungsstellen und Kooperationen:

Statt jede Fachabteilung oder Konzerntochter separat einkaufen zu lassen, lohnt sich eine Bündelung der Einkaufskompetenz. Viele Versorger richten zentrale IT-Einkaufsteams ein, die Ausschreibungen professionell managen und Know-how zu Vergaberecht bündeln. Alternativ schließen sich mehrere Stadtwerke zu Einkaufskooperationen zusammen (siehe Thüga-Netzwerk). Gemeinsam hat man mehr Marktmacht und kann Standardisierungen vorantreiben. Rahmenverträge zu Hardware, Software oder IT-Dienstleistungen werden idealerweise zentral verhandelt und können dann von allen Beteiligten abgerufen werden.

Das reduziert Aufwand, vermeidet Doppelarbeit und garantiert rechtssichere Verträge. Das Thüga-Beispiel zeigt zudem: technische Standardisierung der Anforderungen (etwa einheitliche Spezifikationen für Netztechnik) erleichtert gemeinsame Ausschreibungen.

Nutzung von Rahmenverträgen und neuen Vergabeformen:

Rahmenvereinbarungen sind im öffentlichen Beschaffungsrecht ausdrücklich vorgesehen und erweisen sich als äußerst nützlich für die IT-Beschaffung. So können Energieversorger beispielsweise einen mehrjährigen EVB-IT-Rahmenvertrag mit einem IT-Dienstleister abschließen, der verschiedene Leistungen oder Lizenzen umfasst. Der Vorteil dabei: Einzelne Abrufe aus diesem Vertrag sind anschließend ohne ein neues Vergabeverfahren möglich. Dabei ist es entscheidend, den Rahmenvertrag breit genug zu gestalten – etwa durch Module für Software, Hardware, Cloud-Leistungen und weitere relevante Komponenten. Zudem sollte die Ausschreibung EU-weit erfolgen, um den Wettbewerb sicherzustellen und rechtliche Vorgaben zu erfüllen.

Neben klassischen Rahmenvereinbarungen gewinnen auch neuere Vergabeformen zunehmend an Bedeutung. Dazu zählt etwa das dynamische Beschaffungssystem, eine elektronische Bieterliste für wiederkehrende Käufe, die besonders bei standardisierbaren Leistungen vorteilhaft ist. Für komplexere IT-Projekte, bei denen Lösungen erst im Austausch mit Anbietern entwickelt werden, eignet sich der wettbewerbliche Dialog. Regulierte Einkäufer sollten deshalb prüfen, ob solche Verfahren mehr Agilität in ihre Prozesse bringen können – insbesondere bei innovativen Themen wie Smart Grids, IoT oder KI-Lösungen. In solchen Fällen kann ein Innovationspartnerschafts-Verfahren sinnvoll sein, bei dem gemeinsam mit dem Anbieter eine passgenaue Lösung entwickelt wird.

Trotz eines formalen Rechtsrahmens bestehen also Gestaltungsspielräume: Gerade Sektorenauftraggeber – etwa aus den Bereichen Energie, Wasser oder Verkehr – dürfen unter bestimmten Voraussetzungen häufiger Verhandlungsverfahren nutzen. Das erlaubt es, auch während eines laufenden Ausschreibungsprozesses noch Anpassungen vorzunehmen und flexibel auf neue Anforderungen zu reagieren.

Einkaufsprozesse optimieren und Compliance „by Design“ einbauen:

Effizienter Einkauf heißt auch, interne Abläufe schlank zu halten, ohne die Compliance zu gefährden. Lean Procurement im IT- Bereich kann so aussehen, dass Bedarfe frühzeitig geplant und gebündelt werden, Freigabeprozesse automatisiert ablaufen und standardisierte Vorlagen genutzt werden. Stadtwerke Köln etwa geben in ihren Grundsätzen vor, dass Vergaben immer nach den einschlägigen Gesetzen (GWB, SektVO, VgV etc.) erfolgen müssen  – diese Regel wird durch klare Workflows und Checklisten untermauert.

Erfolgreiche Organisationen richten eine Compliance-Schleife im Bestellprozess ein: automatische Prüfungen verhindern z.B., dass ohne Budget oder ohne gültigen Vertrag bestellt wird. Schulung ist ebenfalls zentral: Beschaffer und Bedarfsträger sollten in Vergaberecht und IT-Sicherheit fit sein. Einige Energieunternehmen bieten hierzu regelmäßige Trainings oder nutzen externe Beratungsstellen (z.B. KOINNO in DE, die Kompetenzstelle für innovative Beschaffung). Thüga geht sogar einen Schritt weiter und hat ein „Nachhaltiges Beschaffungsnetzwerk“ als modularen Workshop eingerichtet, um Partnerunternehmen bei der Umsetzung rechtlicher Anforderungen (z.B. neue Vergaberegeln, Nachhaltigkeitsvorgaben) in der Praxis zu unterstützen.

Fazit: Prozesse sollen so gestaltet sein, dass Compliance automatisch mitläuft (Stichwort: Compliance by Design), statt als hinderliches Extra wahrgenommen zu werden.

Frühzeitige Einbindung von IT und Fachbereichen:

Strategisch erfolgreiche IT-Beschaffung bedeutet, interdisziplinär zu arbeiten. IT-Leiter, Fachabteilungen und Einkauf sollten eng kooperieren, damit Anforderungen klar und realistisch sind. Agile Unternehmen integrieren den Einkauf bereits in der Planungsphase von IT-Projekten („Early Procurement Involvement“). So können etwa Sicherheitsanforderungen oder Datenchutzklauseln direkt in die Leistungsbeschreibung einfließen. Zudem vermeidet man Beschaffungsfehler (z.B. an Marktbedarfen vorbei auszuschreiben).

In der Praxis lohnt es sich, produkt- oder warengruppenspezifische Teams zu bilden (Category Management): Für z.B. den Bereich „Software & Lizenzen“ gibt es dann ein Kernteam aus Einkäufer, IT-Architekt, Jurist und Fachanwender, das gemeinsam Ausschreibungen vorbereitet und Lieferanten auswählt. Solche Modelle stellen sicher, dass wirtschaftliche, technische und rechtliche Aspekte gleichzeitig betrachtet werden – und steigern die Qualität der Vergabeentscheidung.

Diese Beispiele zeigen eindrucksvoll, wie smarter IT-Einkauf in der Energiebranche in der Praxis funktioniert – effizient, compliant und zukunftssicher.

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Technologieeinsatz: Die Zukunft ist digital

Digitale Plattformen und KI-gestützte Lösungen sind Schlüsselkomponenten für smarten IT-Einkauf in der Energiebranche – vor allem bei komplexen Ausschreibungen.

E-Vergabe-Plattformen
DTVP oder cosinex sind Pflicht und Chance zugleich. Sie ermöglichen transparente, durchgängig digitale Vergabeverfahren.

Source-to-Contract- und P2P-Systeme
SAP Ariba, Ivalua & Co. automatisieren von der Bedarfsmeldung bis zur Zahlung – mit ERP-Integration, Auditierbarkeit und Spend Analytics.

Compliance-Tools
Neue Tools wie das digitale EVB-IT-Vertragsmodul oder automatische Sanktionslisten-Prüfungen erleichtern den Alltag und minimieren Risiken.

Künstliche Intelligenz und RPA
KI identifiziert passende Lieferanten, automatisiert Routineaufgaben und unterstützt die Risikobewertung. Chatbots und digitale Assistenten entlasten Einkäufer.

Agilität im Einkauf – so geht’s

Die IT-Abteilungen vieler Energieversorger arbeiten bereits mit agilen Methoden (DevOps, Scrum-Teams etc.), doch der Einkauf hinkte lange hinterher. Starre Einkaufsprozesse – mit detaillierten Lastenheften, langen Entscheidungswegen und komplexen Vertragsbedingungen – passen oft nicht mehr zu den dynamischen IT-Projekten.

Die Folge: Verzögerungen, höhere Kosten und verpasste Innovationschancen. Um den Einkauf vom „Bottleneck“ zum Enabler zu machen, braucht es einen Kulturwandel. Hier einige Empfehlungen, wie agile Beschaffung auch in traditionellen Strukturen gelingen kann:

Agiles Mindset und Teamaufstellung:

Agilität beginnt im Kopf. Einkäufer sollten bereit sein, alte Pfade zu verlassen, und Führungskräfte müssen ihren Teams mehr Vertrauen und Entscheidungsfreiraum geben. Starre Hierarchien werden ersetzt durch kleine, selbstorganisierte Teams mit klaren Verantwortlichkeiten. Ein Beispiel ist die Einführung von Scrum im Einkauf: Einkaufsteams definieren in Sprints kurzfristige Ziele (z.B. in 2 Wochen Marktanalyse und RFP-Entwurf fertigstellen) und treffen sich täglich kurz zum Abgleich. Diese iterative Vorgehensweise fördert die Reaktionsfähigkeit auf Änderungen.

Wichtig ist, dass alle relevanten Abteilungen (IT, Fachbereich, Einkauf) im Projekt eng zusammenarbeiten – im Idealfall sitzt ein interdisziplinäres Team an einem Tisch. Das erfordert Vertrauen in die Mitarbeiter: „Vertrauen in die eigenen Mitarbeiter ist ein Schlüsselfaktor. Wichtig bei der Agilität im Einkauf sind Mitarbeiter, die sich eigenverantwortlich selbst organisieren dürfen.“

Ebenso gilt: Keep it short and simple (KISS) – Prozesse und Kommunikation im Einkauf sollten so einfach wie möglich gehalten werden. Unnötige Bürokratie ist Gift für Agilität.

Fokus auf Fähigkeiten statt Spezifikationen:

Klassische Vergaben schreiben oft bis ins kleinste Detail vor, was geliefert werden muss. Agile Beschaffung dreht den Spieß um: Am Anfang steht eher die Frage „Welches Problem wollen wir lösen und welche Fähigkeiten/Lösungen brauchen wir dafür?“ Anstatt ein fix und fertig spezifiziertes Lastenheft über den Zaun zu werfen, definiert man Anforderungen in Etappen.

Häufig sinnvoll ist ein zweistufiges Vorgehen: Zunächst einen Partner finden, der die Kompetenz mitbringt (z.B. Cloud-Expertise, Cybersecurity-Know-how), dann gemeinsam mit diesem die genaue Lösung erarbeiten.

Wie Kienbaum es formuliert: Statt vordefinierte Endprodukte einzukaufen, geht es zunehmend um den „Einkauf der richtigen Fähigkeiten“. Praktisch heißt das z.B.: einen Rahmenvertrag mit einem Softwareentwicklungsdienstleister abschließen, der agile Entwicklung unterstützt, anstatt eine fertige Software von vornherein festzulegen. So kann die Lösung im Projekt flexibel gestaltet werden, ohne neue Ausschreibungen auszulösen.

Iterative Ausschreibungs- und Vertragsmodelle:

Auch unter Vergaberecht sind agile Ansätze umsetzbar. Man kann z.B. Meilensteine in Verträgen einbauen und nach jedem Meilenstein neu priorisieren. Bei größeren IT-Projekten (z.B. Einführung eines ERP) könnten Teile des Projekts als Lose oder Phasen vergeben werden, mit der Option, nach erfolgreicher erster Phase weiterzumachen. Öffentliche Auftraggeber nutzen hierfür vermehrt die Framework-Verträge: etwa erst einen Dienstleister via Wettbewerb auswählen, dann agile Workpackages abrufen. So bleibt man innerhalb der vergaberechtskonformen Struktur, gewinnt aber Flexibilität in der Umsetzung.

Wichtig ist, auch intern die Erwartungshaltung zu managen: Agile Beschaffung bedeutet, dass Anforderungen während des Projekts angepasst werden können – das muss mit Controlling und Management abgestimmt sein. Change Management spielt hier eine Rolle: Die Organisation muss lernen, mit einem gewissen Maß an Unsicherheit umzugehen zugunsten größerer Innovationsfähigkeit.

Schnelle Entscheidungen und kurze Feedback-Zyklen:

In agilen Projekten muss der Einkauf rasch reagieren können – sei es beim Nachverhandeln eines Vertragsumfangs oder bei der Freigabe von Budget für einen zusätzlichen Sprint. Dafür ist es hilfreich, Entscheidungsbefugnisse zu delegieren.

Beispielsweise kann der IT-Einkaufsleiter limitierte Vollmachten erhalten, um innerhalb eines Rahmenvertrags zusätzliche Leistungen bis Betrag X freizugeben, ohne den Vorstand jedes Mal zu bemühen. Parallel sollten Lieferanten regelmäßig Feedback bekommen. Tägliche oder wöchentliche Abstimmungen zwischen Einkauf und Lieferant (ggf. in Form von Stand-up-Meetings) sorgen für Klarheit und schnelle Problemlösungen.

Ein agiler Einkauf misst seinen Erfolg nicht nur am Einsparbetrag, sondern auch an der Zufriedenheit der internen Kunden (Fachbereiche). Kurze Umfragen nach Abschluss eines Beschaffungsprojekts („War das geliefert System zweckdienlich? Wie bewerten die Anwender den Prozess?“) helfen, kontinuierlich besser zu werden.

Experimentierfreude und Weiterbildung:

Agilität erfordert ein gewisses Maß an Trial & Error. Energieunternehmen können Pilotprojekte für agile Beschaffung definieren – etwa den Einkauf einer neuen Software zunächst mit einem vereinfachten, dialogorientierten Vergabeverfahren testen. Aus den Lessons Learned zieht man Schlüsse für die Breite. Gleichzeitig sollten Einkäufer in Methoden wie Design Thinking, agiles Projektmanagement oder Verhandlungsführung geschult werden, um im neuen Setup sicher agieren zu können.

Der Austausch mit anderen (z.B. auf Branchentagungen, KOINNO-Workshops) bringt frische Ideen. In der Schweiz diskutiert man z.B., wie weit „agile Beschaffung agiler Projekte“ unter dem revidierten Beschaffungsrecht möglich ist – solche Impulse können helfen, den eigenen Handlungsspielraum besser auszunutzen.

Fazit: So wird IT-Einkauf zum Erfolgsfaktor

Compliance, Wirtschaftlichkeit und Agilität sind keine Gegensätze – im Gegenteil: Wer den regulatorischen Rahmen clever nutzt, digitale Tools gezielt einsetzt und agile Denkweisen fördert, macht den Einkauf zur strategischen Ressource. Energieversorger, die ihren IT-Einkauf entsprechend aufstellen, sind besser gewappnet für Zukunftsthemen wie Digitalisierung, Smart Grids oder Nachhaltigkeit.

Empfehlung für Entscheider:
Wer smarter IT-Einkauf in der Energiebranche umsetzen will, braucht neben Tools vor allem Struktur, Mut zur Veränderung – und den richtigen Partner.

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